Interview mit dem ehemaligen ESH-Betriebsleiter Siegfried Grabenkamp

„Die Menschen machen den Unterschied, nicht die Arbeit.“

Ein Abschiedsgespräch mit Siegfried Grabenkamp nach vier Jahrzehnten Engagement für die Stadt Essen

Wenn Siegfried „Siggi“ Grabenkamp, Betriebsleiter des Essener Systemhauses (ESH), am 31. Mai 2024 ein letztes Mal aus seinem Bürofenster im vierten Stock des ESH-Carrés auf die Stadt blickt, schließt er ein beeindruckendes Kapitel von 44 Jahren Einsatz für die Stadtverwaltung.

Die Redaktion der Öffentlichkeitsarbeit des ESH hat dem 63-jährigen Essener einige persönliche Fragen gestellt, um einen Einblick in die Gedankenwelt des Mannes zu erhalten, der die IT-Landschaft der Stadt Essen mitgestaltet hat.

Worauf er sich im Ruhestand freut, was ihm im Berufsleben immer wichtig war und was er aus der Arbeitswelt vermissen wird, erzählt er uns im Interview.

Die meisten deiner Kolleginnen und Kollegen nennen dich Siggi. Spricht dich jemand mit Siegfried an?

Meine 96-jährige Mutter, meine Schwester und mein Bruder nennen mich Siegfried. Für alle anderen bin ich einfach Siggi.

Du warst insgesamt 44 Jahre bei der Stadt Essen beschäftigt, davon 26 Jahre lang im Essener Systemhaus. Was wirst du aus der Arbeitswelt vermissen?

Die Kolleginnen und die Kollegen. Meine Leidenschaft lag zwar in der Informationstechnologie, jedoch noch mehr in der Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen, um gemeinsam Neues zu schaffen. Letztlich sind es die Menschen, die den Unterschied ausmachen, nicht die Arbeit selbst.

Kannst du uns einen Einblick in die Gründungszeit des Essener Systemhauses und den Beginn der IT bei der Stadt geben?

In den 1990er-Jahren haben wir begonnen, moderne IT-Arbeitsplätze flächendeckend einzuführen; denn nicht jeder Mitarbeitende besaß zu diesem Zeitpunkt einen PC. In den Büros gab es noch Schreibmaschinen, Diktiergeräte und Rechenmaschinen.

Mit einem Team von 80 Kolleginnen und Kollegen haben wir das Essener Systemhaus gegründet, dabei ein modernes Rechnungswesen implementiert und die Abteilungen modernisiert.

Besonders spannend war unser Umzug 2003 ins Carré in die Kruppstraße, nachdem wir die Herausforderung gemeistert hatten, ein passendes Rechenzentrum zu finden.

Unsere Hauptthemen in dieser Zeit waren die Einführung der Personalabrechnung unter SAP, die Implementierung des Ethernet-Protokolls, der erfolgreiche Abschied von den veralteten Großrechnern und später dann die sinnvolle Nutzung des Internets. Ja, es gab eine Zeit ohne Internet.

Auf welchen Erfolg bist du rückblickend besonders stolz?

Die Politik davon überzeugt zu haben, mit dem ESH einen Eigenbetrieb in dieser damals innovativen Organisationsform zu gründen, mit eigenem Rechnungswesen, Budget, Wirtschaftsplan und finanziell unabhängig vom städtischen Haushalt, das war ein bemerkenswerter Erfolg.

Auch mit der Fusion 2016 des ESH mit der IT-Abteilung der Essener Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft mbH (EVV IT), an der unter anderem die damalige EVAG und die Stadtwerke beteiligt waren, haben wir unsere wirtschaftliche und rechtliche Selbständigkeit erhalten. Seitdem stellen wir gemeinsam die notwendige Informations- und Telekommunikationstechnologie für die Stadtverwaltung Essen und ihre Beteiligungsunternehmen bereit. Zuverlässig und wirtschaftlich.

Vom Aufbau des ESH bis zur Fusion mit der EVV IT war es die Überzeugungskraft und die Fähigkeit, Brücken zu bauen, die uns vorangebracht haben.

Die IT war nicht dein erster Halt, davor kam das Soziale: Welche Stationen hast du auf deinem Berufsweg durchlaufen, bevor du dich Technik und Wirtschaft zugewandt hast?

Nach meiner Ausbildung zum Diplom-Verwaltungswirt startete ich 1983 einen Kurzeinsatz beim Schulamt, habe bis 1991 beim Sozialamt gearbeitet und war in der Seniorenarbeit tätig. Danach war ich bis 1998 beim Rechnungsprüfungsamt Prüfer der Automatischen Datenverarbeitung (ADV) und im Controlling und Berichtswesen tätig.

Es war eine Zeit des Umbruchs und der Innovation, in der ich mich zum Programmierer fortgebildet habe und nebenberuflich ein Fernstudium mit Schwerpunkt Personalcontrolling an der FH Dortmund zum Diplom-Betriebswirt absolviert habe.

Als 1998 der Leiter des Rechnungsprüfungsamts Ulrich Weinert zum ESH-Vorgänger „Kommunale Datenverarbeitungszentrale“ (KDZ) in die Söllingstraße wechselte, hat er mich als späteren Abteilungsleiter für Verwaltung und Management „mitgenommen“. 2007 wurde ich unter Christian Hülsmann 2. Betriebsleiter des ESH und im Jahr 2017 alleiniger Betriebsleiter.

Es war nicht nur mein EDV-Know-how, das zählte, es war auch meine Fähigkeit, eine wirtschaftliche Komponente in die Leitung einzubringen, die mich für diese Rolle prädestinierte.

Was war dir im Berufsleben immer wichtig?

Ehrlichkeit war immer mein Kompass. Ich habe die Menschen, mit denen ich gearbeitet habe, nie angelogen. Ich habe keine falschen Versprechungen gemacht und immer auf potenzielle Risiken hingewiesen. Klar, es gab auch mal Enttäuschungen, wenn Menschen andere Maßstäbe an ihre Arbeit gesetzt haben. Aber mir war Ehrlichkeit wichtig.

Außerdem: Authentizität und Zuverlässigkeit. Das sind die Werte, die ich gelebt und von anderen erwartet habe.

Ich habe es auch genossen, mich nicht nur auf ausgetretenen Pfaden zu bewegen, sondern mal gegen den Strom zu schwimmen.

Welche besonderen Eigenschaften brauchtest du als Betriebsleiter des Essener Systemhauses?

Überzeugungskraft. Überzeugungskraft gegenüber den Mitarbeitenden, aber auch gegenüber der Politik und der Verwaltungsspitze – gerade beim Thema Wirtschaftlichkeit. Und Brücken über unterschiedliche Unternehmenskulturen der Stadtverwaltung und des ESH zu schlagen –, denn die mussten zusammenpassen. Die Sorge vor einer Privatisierung musste ausgeräumt werden.

Diese Eigenschaften konnte ich gut einbringen, unter anderem bei Verwaltung und Personalrat.

Am 1. August gehst du offiziell in den Ruhestand: Wie gut bist du auf diesen neuen Lebensabschnitt vorbereitet?

Ich werde erst einmal drei Monate nix machen. Danach schaue ich einfach, was mir mein Kopf sagt.

Worauf freust du dich am meisten?

Ich freue mich darauf, Herr meiner Zeit zu sein.

Gibt es etwas, das du unbedingt erleben willst?

Ich plane, meinen Sport zu intensivieren, insbesondere das Joggen. Außerdem möchte ich meine Leidenschaft für die Fotografie weiter ausleben und Momente festhalten. Reisen stehen ebenfalls auf meiner Liste – Asien fasziniert mich, und ich möchte gern den Westen der USA erkunden.

Was ist deiner Meinung nach das Beste daran, älter zu werden?

Der viel zu frühe Tod meiner ersten Frau mit 48 Jahren hat mir bis heute die Erkenntnis gebracht, wie schön es ist, alt werden zu dürfen.

Wenn man dein Leben verfilmen würde, wer würde deine Rolle spielen?

Hape Kerkeling.

Wenn dein Leben ein Buch wäre, welchen Titel würde es haben?

„So geht‘s auch.“ Das bedeutet: Mein Weg war nicht so verkehrt.

Was wünscht du dem ESH zum Abschied?

Ich wünsche zuerst den Menschen, die im und für das ESH arbeiten, dass ihnen der Job Spaß macht, ihnen Erfüllung bringt und sie sich gerne morgens auf den Weg zur Arbeit machen.

Sie stehen alle vor großen Herausforderungen. Besonders durch die Erfahrungen aus der Corona-Zeit hat sich die Arbeitswelt massiv verändert. Die Menge und die Geschwindigkeit, mit der IT-Projekte umgesetzt werden sollen, haben erheblich zugenommen. Der Arbeitsmarkt hat sich vom Arbeitsgeber- zu einem Arbeitnehmermarkt entwickelt. Die Bindung an ein Unternehmen, an die Stadt Essen als Arbeitgeberin, ist viel lockerer geworden. Wechsel zu anderen Unternehmen sind nicht mehr ungewöhnlich.

Das sind nur einige Herausforderungen!

Ich glaube, dass Arbeitszufriedenheit ein wichtiger Schlüssel sein wird, um zuverlässig Personal zur Verfügung zu haben. Dazu gehört auch – aber nicht nur – eine gute Bezahlung. Das Arbeitsumfeld, das Miteinander der Kolleginnen und Kollegen und die Verlässlichkeit der Entscheidungsträger können maßgeblich zum Erfolg beisteuern.

Nach meiner Überzeugung kann das ESH wesentlich dazu beitragen, dass die Stadtverwaltung und die Beteiligungsunternehmen zum Wohle unserer Bürgerinnen und Bürger einen guten Job machen.

Wir danken Siggi für seine Offenheit und die inspirierenden Einblicke in sein Berufsleben. Wir wünschen ihm für seinen neuen Lebensabschnitt alles Gute und viele unvergessliche Momente. Möge der Ruhestand so erfüllend sein wie die Jahre, die er der Stadt Essen gewidmet hat. Danke, Siggi!

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